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Intelligente Algorithmen für die Energiewende

Intelligente Algorithmen für die EnergiewendeDie bisher nur sehr wenig genutzte Wellenenergie ermöglicht eine dezentrale Stromversorgung (Foto: SINN Power GmbH)
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Mit einem Münchner Startup entwickeln HM-Professor Christoph Hackl und sein Team intelligente Algorithmen, die dafür sorgen, dass sich der Strom aus Wellenkraftwerken effizient und zuverlässig ins Stromnetz einspeisen lässt.

Früher passionierter Windsurfer, forscht HM-Professor Christoph Hackl heute an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik zur Stromerzeugung aus Wellenkraft. Mit dem Münchner Start up SINN Power GmbH entwickeln Hackl und der wissenschaftliche Mitarbeiter Simon Krüner Steuerungssysteme für die Leistungselektronik für eine nachhaltige Stromgewinnung.

Stromproduktion auf dem Meer

Im Prinzip ist die Stromgewinnung auf See einfach: Das geplante Wellen-Kraftwerk besteht aus mehreren Reihen senkrechter Stangen, die miteinander verbunden und am Meeresgrund verankert sind. An jeder Stange befindet sich ein Schwimmköper, der von den Wellen auf- und ab bewegt wird. Dadurch werden Rollen angetrieben, die zwischen Schwimmkörper und Stange befestigt sind. Jede Rolle ist mit einem Generator verbunden, der die Bewegung in elektrische Energie verwandelt. Beim Auf und Ab der Rollen ändert sich die Drehrichtung. Deshalb produzieren die Generatoren Drehstrom, dessen Frequenz sich, abhängig von der Länge der Meereswellen, ständig verändert.

Ins Netz lässt sich dieser Strom nicht ohne weiteres einspeisen – dafür benötigt man Drehstrom mit einer konstanten Frequenz von 50 Hertz, das entspricht 50 Schwingungen pro Sekunde. Der im Wellenkraftwerk erzeugte Strom muss daher erst einmal umgewandelt werden. „Rein technisch ist das kein Problem: Man benötigt einen Umrichter, der aus dem primären Drehstrom Gleichstrom macht, sowie einen zweiten Umrichter, der zusammen mit einem Netzfilter 50 Hertz-Drehstrom erzeugt.

Herausforderung Effizienz und Zuverlässigkeit

„Die Herausforderung liegt darin, bei dieser Umwandlung eine möglichst hohe Effizienz und Zuverlässigkeit in allen Betriebsbereichen zu erreichen“, erklärt Hackl. Für den Prototypen der neuen Wellenkraftanlage hat er solche Algorithmen entwickelt, die unter anderem den Wirkungsgrad erheblich verbessern. Die Ergebnisse wurden unlängst unter dem Titel „Experimental Identification of the Optimal Current Vectors for a Permanent-Magnet Synchronous Machine in Wave Energy Converters“ veröffentlicht.

Hackls Algorithmen setzen da an, wo normalerweise Energie verloren geht: bei den verschiedenen Umwandlungsschritten – erst von Drehstrom in Gleichstrom und dann von Gleichstrom in netzkompatiblen Drehstrom. Jede dieser Umwandlungen verringert die Energieausbeute. Hackls Software minimiert die Verluste: „Unsere Algorithmen können das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten nicht nur optimal steuern, sondern steigern auch ihre Zuverlässigkeit.“ Wenn beispielsweise in einem Umrichter ein Schalter ausfalle, dann sorge die intelligente Software dafür, dass sich das System nicht abschalte, sondern sich an die veränderten Umstände anpasse und weiterarbeite – wenn auch mit etwas verringerter Leistung. Gleichzeitig werde eine Störungsmeldung an den Betreiber geschickt. „Insgesamt lässt sich so die Effizienz des Gesamtsystems erheblich verbessern“, resümiert Hackl.

Der Härtetest auf der Insel

Den Härtetest am Meer hat die Leistungselektronik mit Bravour bestanden: Für den Prototypen-Test wurden Umrichter, Netzfilter und Steuerungscomputer in eine wasserdichte, schuhschachtelgroße Box gepackt und nach Heraklion geflogen. Dort trotzt die Technik seit mehr als einem Jahr salziger Luft, Stürmen und spritzender Gischt und verwandelt den Strom des wellengetriebenen Generators zuverlässig in Netzstrom. Die Energieausbeute: 93 Prozent.

Technik für nachhaltige Energieerzeugung

Von den effizienten und fehlertoleranten Algorithmen sollen in Zukunft nicht nur die Hersteller von Wellenkraftanlagen profitieren, sondern auch die Betreiber von Wind-, Solar- oder Geothermieanlagen, sagt Hackl: „Die Leistungssoftware eignet sich für die Optimierung des Outputs aller regenerativen Kraftwerke – egal ob Erdwärme, Sonne, Wind oder Wasser. Man braucht am Ende immer Wandler, um Netzstrom daraus zu machen.“ Gesteigerte Effizienz und Zuverlässigkeit trägt zur Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen bei. „Tatsächlich sehe ich in den Algorithmen meinen persönlichen, bescheidenen, aber ganz konkreten Beitrag zur Energiewende. Ich habe selbst Kinder und ich möchte ihnen eine Welt hinterlassen, die lebenswert ist. Das ist meine Motivation.“

Christoph Hackl
Christoph Hackl promovierte 2012 interdisziplinär an der Technischen Universität München in Mechatronik und Systemtheorie. 2018 wurde er zum Professor für “Elektrische Maschinen und Antriebe” an die HM berufen. Mit fünf Kollegen gründete er in 2019 das HM-Forschungsinstitut „Nachhaltige Energiesysteme”. In 2022 gewann er den HM-Oskar für angewandte Forschung. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen mechatronische und regenerative Energiesysteme. Er hat mehr als 150 Konferenz-/Journal-/Buchbeiträge veröffentlicht.

Hochschule München
Die Hochschule München ist mit rund 500 Professorinnen und Professoren, 750 Lehrbeauftragten und rund 18.000 Studierenden eine der größten Hochschulen Deutschlands. In den Bereichen Technik, Wirtschaft, Sozialwissenschaften und Design bietet sie rund 90 Bachelor- und Masterstudiengänge an. Exzellent vernetzt am Wirtschaftsstandort München, pflegt sie enge Kontakte zur Berufspraxis und engagiert sich in anwendungsbezogener Lehre und Forschung. Die Hochschule München wurde bei EXIST III, IV und EXIST Potentiale als Gründerhochschule ausgezeichnet. Neben Fachkompetenzen vermittelt sie ihren Studierenden unternehmerisches und nachhaltiges Denken und Handeln. Ausgebildet im interdisziplinären Arbeiten und interkulturellen Denken sind ihre Absolventinnen und Absolventen vorbereitet auf eine digital und international vernetzte Arbeitswelt. In Rankings zählen sie zu den Gefragtesten bei Arbeitgebern in ganz Deutschland.

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