Die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen zeigen: Unabhängigkeit in zentralen volkswirtschaftlichen Belangen ist nicht nur für einzelne Nationalstaaten, sondern insbesondere auch für Staatenbunde wie die Europäische Union wichtiger denn je. Das Bezahlen bleibt hiervon nicht unberührt. Im Gegenteil: Gerade Digitalisierung und grenzüberschreitendes Bezahlen bringen bei der Ausgestaltung des Zahlungsverkehrs der Zukunft Herausforderungen mit, die sowohl für die Branche als auch für die Politik auf nationaler und europäischer Ebene Handlungsbedarf bedeuten. Welche Wege beschreiten Deutschland und die EU, um im Zahlungsverkehr souveräner zu werden? Wird Europa der Marktmacht US-amerikanischer Anbieter von Zahlungslösungen künftig etwas entgegensetzen können? Welche Rolle werden Vorhaben wie die European Payment Initiative (EPI) oder der digitale Euro aber auch nationale Bezahlsysteme wie die girocard hierbei spielen? Über diese Fragen wurde im Rahmen des Parlamentarischen Abends der Initiative Deutsche Zahlungssysteme gestern in Berlin diskutiert.
Das Bezahlen der Zukunft – ob vor Ort im Geschäft oder im Online-Handel – befindet sich in einem großen Umbruch. Aus Politik und Wirtschaft gibt es verschiedene Vorhaben, um sich von der Abhängigkeit US-amerikanischer Akteure, die aktuell den Großteil des Zahlungsverkehrs im europäischen Markt abwickeln, zu lösen. Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Finanzen, betont dabei: „Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten innovative und sichere Zahlungslösungen – die möglichst überall akzeptiert werden. Deswegen setzen wir uns für einen fairen Wettbewerb ein, der es auch europäischen Anbietern ermöglicht, mit neuen Produkten im digitalen Zahlungsverkehr bestehen zu können.“ Auf welche Maßnahmen können Verbraucher:innen in Zukunft blicken?
EPI und digitaler Euro – Maßnahmen für mehr Souveränität im Zahlungsverkehr?
EPI ist ein Vorstoß der europäischen Finanzbranche, der Marktmacht US-amerikanischer Anbieter entgegenzutreten. Doch auf dem Weg der Umsetzung zeigte sich, dass die Etablierung eines großen gesamtheitlichen Systems in der praktischen Ausgestaltung alles andere als einfach ist. „Voraussetzung für mehr europäische Souveränität im Zahlungsverkehr ist, dass Europas starke nationalen Bezahlsysteme besser interagieren. Etwas Bestehendes, das gut funktioniert und eine große Akzeptanz hat, weiterzuentwickeln ist einfacher, als etwas neu aufzubauen.“ Zu dieser Einschätzung kommt Matthias Lange, Associate Director beim Bundesverband der deutschen Banken, dem diesjährigen Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft (DK).
Gerade der Verbraucherschutz betrachtet die Tatsache, dass Europa im Kartenmarkt und auch im E-Commerce von wenigen nicht-europäischen Zahlungsdienstleistern abhängig ist, mit Sorge und sieht in der Digitalisierung des Euros eine Chance – jedoch mit klaren Anforderungen: „Der digitale Euro hat das Potenzial, den digitalen Zahlungsverkehr deutlich stärker an den Bedürfnissen der Verbraucher:innen auszurichten als es bislang der Fall ist. Insbesondere muss die Privatsphäre der Nutzer:innen nicht nur gegenüber der Zentralbank, sondern auch gegenüber Unternehmen sichergestellt werden. Die EZB muss sich trauen, einen digitalen Euro zu entwickeln, der in Konkurrenz zu privaten Lösungen tritt, die zu teuer sind oder ihre Nutzer:innen ausschnüffeln. Endet der digitale
Euro hingegen als Schmalspurlösung, droht dem Projekt die Irrelevanz“, erklärt Dorothea Mohn, Leiterin des Finanzmarkt-Teams beim Verbraucherzentrale Bundesverband.
Während einige Länder bereits besonders fortgeschritten sind, was die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung angeht, steht die EU noch am Anfang. Eine zentrale Rolle bei der Etablierung des digitalen Euros als europäisches Bezahlmittel ist die Frage, wie er sich in die bestehenden Bezahlmethoden auch mit Blick auf verbraucherschutzrechtliche Aspekte einbetten wird. Sabine Grützmacher, Mitglied des Deutschen Bundestages und Expertin für digitale Finanzthemen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht vor allem einen Mehrwert: „Der digitale Euro schafft in Europa etwas Verlässliches, das dem aktuellen Umfeld von Kryptowährung in der digitalen Welt entgegentreten kann. Der digitale Euro kann einen wesentlichen Beitrag bei der Digitalisierung des europäischen Zahlungsverkehrs leisten. Bei der Umsetzung muss die Wahl der Technik unter Berücksichtigung von Kosten-Nutzen-Abwägungen und gesellschaftlichen Folgewirkungen getroffen werden. Auch wichtige Fragen des Datenschutzes dürfen dabei nicht aus den Augen verloren werden.“
Klares Bekenntnis zu einem europäischen Bezahlsystem durch Verbraucher:innen
Ob EPI oder digitaler Euro, die Ausgestaltung eines europäischen Bezahlsystems hält sowohl in der Theorie als auch in der Praxis noch einige Fragezeichen bereit. Doch die deutschen Bürger:innen haben im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Bezahlsystems eine klare Haltung. Laut den noch unveröffentlichten Ergebnissen, einer repräsentativen Befragung durch das Institut für Demoskopie Allensbach im Namen der Initiative Deutsche Zahlungssysteme vom August 2022, zeigt sich: Fast die Hälfte der Bürger:innen (45 Prozent) fänden es wichtig, dass es in Zukunft verstärkt europäische Bezahlsysteme als Konkurrenz zu amerikanischen Bezahlsystemen gibt. Zudem spricht sich über die Hälfte der Bevölkerung (61 Prozent) für ein europäisches Bezahlsystem aus, um im Bereich des Zahlungsverkehrs als Europäische Union unabhängiger von den USA zu sein. 57 Prozent der Befragten finden, die Euro-Zone sollte als Währungsunion auch ein eigenes Bezahlangebot haben. Besonders wichtig ist für über die Hälfte der Bevölkerung (52 Prozent) die Tatsache, dass Datenschutzbestimmungen und Verbraucherschutz in der EU strenger sind als in den USA.
Die Rolle nationaler Bezahlverfahren – Vertrauen in Bewährtes
Beim Blick auf die Rolle der gegenwärtigen Bezahlmittel und deren Weiterentwicklung zeigt sich, dass gerade der Handel Forderungen an das nationale Bezahlsystem hat: „Für Händler stellen einige Bezahlmittel der US-amerikanischen Anbieter eine digitale Blackbox dar. Der Händler weiß nicht, welche Zahlungsart oder welche Kreditkarte der Kunde hinterlegt hat. Zudem lassen sich die Gebühren, die erhoben werden, schlecht nachvollziehen und vergleichen. Was mit den Kundendaten geschieht, die den Umweg über die USA machen, ist ebenfalls fraglich. Das girocard-System hierzulande hat hingegen bewährte Sicherheitsmechanismen, auf die sich Händler verlassen können. Deshalb muss die girocard Omnichannel-fähig werden. Die Banken und Sparkassen in Deutschland wären äußerst schlecht beraten, wenn sie dieses Asset vernachlässigen“, fasst Horst Rüter, Mitglied der Geschäftsleitung beim EHI Retail Institute, zusammen. Daran anschließend appelliert Matthias Lange noch einmal an die Politik: „Es braucht für die Zukunft entsprechende Rahmenbedingungen, die Innovationsvorhaben der Kartensysteme hier zulande stärken, damit die praktische Umsetzung dieser für Banken und Sparkassen attraktiv bleibt. Nur so können auch attraktive Angebote für den Handel und Verbraucher:innen geschaffen werden.“ Das girocard-System hält großes Innovationspotential bereit: „Die neue Produktstrategie der girocard steht zum einen für den Ausbau bestehender Funktionsfelder und zum anderen für den Aufbau neuer Funktionen. Dabei sollen die Akzeptanz im stationären Einzelhandel weiter gefördert, In-App-Zahlungen ermöglicht und die girocard in Zukunft Omnichannel-fähig gemacht werden“, verrät Oliver Hommel, Geschäftsführer der EURO Kartensysteme.
Future Wallet – Ein Blick in den (digitalen) Geldbeutel von morgen
Fragt man die Verbraucher:innen hierzulande, was sie in fünf Jahren in ihrem (digitalen) Geldbeutel sehen, so liegt das beliebteste Bezahlmittel, die girocard mit 78 Prozent weiter in Führung. Für über die Hälfte der Befragten (57 Prozent) wird das Bargeld auch in fünf Jahren noch eine wichtige Rolle spielen und über ein Drittel (36 Prozent) der Befragten sehen die digital hinterlegte girocard im Smartphone oder der Smartwatch in ihrem Geldbeutel. Lediglich acht Prozent der Bürger:innen glauben, dass sie in fünf Jahren mit dem digitalen Euro bezahlen werden und noch viel weniger (fünf Prozent) halten es für wahrscheinlich, mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin zu bezahlen.
Die Diskussionen des Abends haben deutlich gezeigt, dass auf dem Weg zu mehr europäischer Souveränität im Zahlungsverkehr die nationalen Bezahlverfahren gestärkt werden müssen. Denn auf sie vertrauen die Verbraucher:innen. Darüber hinaus müssen die nationalen Bezahlsysteme in Europa besser untereinander agieren, um die großen Vorhaben von morgen wie EPI und den digitalen Euro sinnvoll zu ergänzen.
Zur Initiative Deutsche Zahlungssysteme e.V.
Die Initiative Deutsche Zahlungssysteme e.V. mit Sitz in Berlin versteht sich als Netzwerk für Unternehmen und Institutionen, die die bargeldlosen Bezahlverfahren der Deutschen Kreditwirtschaft akzeptieren oder die hierfür notwendige Infrastruktur bereitstellen. Sie bündelt die Interessen ihrer Mitglieder und vertritt sie gegenüber Politik und Medien. Der Verein recherchiert neue Einsatzmöglichkeiten, initiiert Pilotprojekte und unterstützt bestehende Aktivitäten seiner Mitglieder, insbesondere in den Bereichen Marketing, Public Relations und Public Affairs. Bereits seit fünfzehn Jahren beschäftigt sich die Initiative Deutsche Zahlungssysteme e.V. mit dem Bezahlen in Deutschland. Weitere Informationen finden Sie unter www.Initiative-DZ.de.
Zu den Bezahlverfahren
Über 100 Millionen girocards von Banken und Sparkassen gibt es in Deutschland – fast jede:r Bürger:in hat sie in der Tasche. Immer mehr Banken und Sparkassen ermöglichen ihren Kund:innen mit der girocard als Deutschlands meist genutzter Debitkarte den komfortablen Service des kontaktlosen Bezahlens mit Karte und Smartphone. Weitere Informationen finden Sie unter www.Initiative-DZ.de.